Bürgerprojekt/Citizen Science: Messung der Luftqualität in Wohngebieten/Feinstaubproblematik
Die Luftqualität in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten durch Auflagen und Grenzwerte für Industrie und Fahrzeugverkehr deutlich verbessert, vgl Bericht der Tagesschau vom 23. November 2020 (https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-786781.html). Bei der öffentlichen Diskussion stehen allerdings primär Stickoxide und CO2 im Vordergrund. Letzteres ist aus Gründen des Klimaschutzes richtig und notwendig.
Zunehmend problematisch für die Luftqualität in Wohngebieten, insbesondere in Neubaugebieten, ist jedoch das Heizen mit Scheitholz bzw. Holzpellets, bei dem jeder Haushalt ein Vielfaches der Feinstaubemissionen (und zahlreiche weitere giftige Nebenprodukte der Holzverbrennung) freisetzt, die während Stauphasen auf stark befahrenen Hauptverkehrsstraßen verursacht werden. Diese Feinstaubbelastung führt dazu, dass während der Heizperiode in Wohngebieten über Stunden Luftqualitätswerte ähnlich wie in Peking, Bangkok oder Ho Chi Minh-City herrschen. Insbesondere die Partikelklasse <2,5 Mikrometer (PM2.5) ist hierbei überdurchschnittlich stark vertreten. Partikel dieser Größenordnung sind lungengängig, überwinden die Blut-Hirn-Schranke und verursachen nachweislich schwere gesundheitliche Schäden und Langzeitfolgen. Auch Lüften ist in den betroffenen Gebieten häufig über Stunden nicht möglich, da die Außenluft - von der geruchlichen Belästigung ganz abgesehen - massiv schadstoffbelastet ist.
Von staatlicher Stelle kontrolliert und abgestellt werden diese Überschreitungen nicht. Eine Umfrage des ZDF-Magazins "Frontal21" zeigte: Die Behörden überprüfen so gut wie gar nicht, ob Einzelraumfeuerstätten Grenzwerte einhalten. (vgl. https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/feinstaub-so-dreckig-sind-kam... und Frontal 21 vom 5. Februar 2019).
Auch in Bonn wird die Belastung der Bürger durch Feinstaub, speziell PM2.5, nicht erfasst.
Ich schlage daher vor, im Rahmen eines Bürgerprojekts
- 100-200 günstige Feinstaubmessstationen nach der offenen Bauanleitung von https://luftdaten.info/ (Kosten ca. 5.000 - 10.000 Euro) anzuschaffen und
- diese sinnvoll über die Fläche verteilt kostenfrei an interessierte Bürger im Stadgebiet, speziell jedoch in Wohngebieten auszugeben.
Es existiert Bundesweit kein vergleichbares Projekt. Hierdurch könnte sich Bonn in Sachen Open Data und Citizen Science, Digitalisierung, Umweltschutz und Bürgerprojekte mit einfachen und günstigen Mitteln mit einem Leuchtturmprojekt positionieren.
Bislang erfolgen Messungen der Luftqualität durch Kommunen üblicherweise an Stellen, die für den Bürger kaum eine Rolle spielen. Ob Feinstaub an einer stark befahrenen Autobahn verursacht wird, sagt regelmäßig nichts über die tatsächliche Feinstaubbelastung in Wohngebieten aus - zumal der Verkehr als Feinstaubquelle im Gegensatz zu Privatfeuerungsanlagen regelmäßig um Größenordnungen vernachlässigbar ist (https://static.thebristolcable.org/uploads/2019/02/Stove-vs-vehicles-fin...).
Kommentare
am 18. Dez. 2020
at 18:34Uhr
Ergänzende Maßnahmen
Toller Vorschlag!
Ergänzend sollte/n
1. offizielle Messstationen in betroffenen Wohngebieten errichtet werden;
2. eine Aufklärungskampagne über die Schädlichkeit und Vermeidbarkeit von Emissionen aus Holzverbrennung mitsamt entsprechender Empfehlung der Stadt erfolgen;
3. die Stadt Bonn sich nicht mit der Einhaltung von (viel zu hohen) Grenzwerten begnügen sondern die bestmögliche und gesündeste Luftqualität anstreben.
4. die Nachhaltigkeit von Holz als Energiequelle sehr kritisch hinterfragt werden (siehe nur aktuelle Diskussion um Holzeinschlag in Russland / im Baltikum / in den USA).
am 23. Dez. 2020
at 18:02Uhr
Kommentar
Offizielle, geeichrte Messtationen sind wichtig. Bis sowas genehmigt ist und Gelder bereitstehen, ist allerdings 2063. ;) Ich finde den Gedanken, technisch interessierte Bürger mit einzubinden und eine Open Source-Plattform zu nutzen, recht attraktiv - und es ist kostengünstig.
Bzgl. Luftqualität zitiere ich einfach mal das Wahlprogramm der Grünen:
"DIE LUFTQUALITÄT VERBESSERN
Atemluft ist das wichtigste Lebensmittel. Wir wollen die Schadstoffbelastung der Luft in Bonn deutlich senken. Da die Luftverschmutzung in Bonn vor allem durch den Verkehr verursacht wird, werden fast alle Maßnahmen zur Re-duzierung des motorisierten Individualverkehrs auch zu einer Verbesserung der Luftqualität führen. Wir setzen uns daher für eine konsequente Umset-zung des Luftreinhaltevorhabens „Lead City“, des Luftreinhalteplans und des gerichtlichen Vergleichs ein, den die Stadt mit der Deutschen Umwelthilfe geschlossen hat. Auch andere Quellen tragen zur Luftbelastung bei. Wir spre-chen uns gegen eine Erweiterung der Bonner Müllverbrennungsanlage, z.B. durch den Bau einer (über)regionalen Klärschlammverbrennungsanlage aus. Um genauere Daten zur lokalen Belastung zu erhalten, setzen wir uns für eine umfassende und transparente Messkampagne an verschiedenen Belastungspunkten im Stadtgebiet, z.B. im Rahmen eines Forschungsprojektes, ein. Hierdurch sollen die Daten der vom Landesamt betriebenen Messstellen ergänzt, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, und wenn nötig, umgehend entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden."
am 23. Dez. 2020
at 18:03Uhr
P.S.:
Die darin enthaltene Behauptung, die "die Luftverschmutzung in Bonn (werde) vor allem durch den Verkehr verursacht", ist natürlich entweder Unwissenheit oder... :)
am 29. Dez. 2020
at 11:17Uhr
Ich glaube wir sind auf einer
Ich glaube wir sind auf einer Linie. Ich wünsche mir halt nur, dass parallel zur Identifikation des Problems bereits jetzt gegengesteuert wird. Daher habe ich meine ergänzenden Vorschläge hier eingestellt:
https://www.bonn-macht-mit.de/dialoge/b%C3%BCrgerinnendialog-zum-haushal...
am 23. Dez. 2020
at 17:58Uhr
Nachtrag: Leicester/UK macht sowas jetzt auch
In UK wird aktuell ein vergleichbares Projekt mit 11 Sensoren in Leicester ins Leben gerufen:
https://news.leicester.gov.uk/news-articles/2020/december/major-air-poll...
“We now want to develop this project to provide the public with live data that will allow them to make informed decisions about the use of their stoves or open fires on days where pollution in likely to be high. By providing improved guidance on the potential dangers of burning wood and its impact on air quality, we hope people will do their bit in helping minimise smoke emissions.”