NACHBARSCHAFT FÜR DEN ERHALT DES GESAMTEN ALTEN BAUMBESTANDES AUF DEM FLURSTÜCK 317

Bonn-Beuel, 12. Mai 2021

Bezug: Einladung zur Öffentlichkeitsbeteiligung zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 6721-1 (vorher 7921-2) „Kreuzherrenstraße“

Stellungnahme

NACHBARSCHAFT FÜR DEN ERHALT DES
GESAMTEN ALTEN BAUMBESTANDES AUF DEM FLURSTÜCK 317

Hier würden eingefügt gehören
1. Lagebild zur Erläuterung der Flurnummern
2. Klimaatlas Bonn Auszug
was die Website leider nicht zulässt.

1. Einspruch gegen das Verfahren

Zunächst verwahren wir uns gegen die Eile, mit der die Öffentlichkeitsbeteiligung in der Phase des verschärften Corona-Lockdowns durchgepeitscht wird. Wegen der seit 24.4.21 geltenden Maßnahmen sind Besprechungen selbst in kleinstem Kreise verboten und damit effektiv keine Beteiligung der Öffentlichkeit möglich. Wir beantragen daher, die Beteiligung der Öffentlichkeit auf eine Zeit ohne Beschränkung der Versammlungsfreiheit zu verschieben.

2. Widerspruch zu politischen Zielen, für die die neue Stadtspitze gewählt wurde

Die Änderung des Bebauungsplans steht im Widerspruch zu gleich drei politischen Zielen der neuen Stadtspitze unter Frau Oberbürgermeisterin Dörner
- Klimaschutz (2.1)
- Schaffung bezahlbaren Wohnraums (2.2)
- verstärkte Berücksichtigung von Bürgerwünschen (2.3)

Zu 2.1
Wie der Ausschnitt aus dem Bonner Klimaatlas von 2015 im rechten Bild zeigt, ge-hört der Straßenbereich Rudolf-Hahn-Str. / Kreuzherrenstr. zu den extrem wärmebe-lasteten Zonen der Stadt. In den letzten beiden Jahren ist es laut Klimaexperten dort zu Temperaturhöchstwerten gekommen. Durch den ständig wachsenden Verkehr u.a. zum Telekomgelände hat die allgemeine Umweltbelastung mit in Stoßzeiten fast unzumutbaren Lärm und Abgasbelästigungen auch enorm zugenommen. Jeder Ausgleich in Form von intakten Bauminseln als Kälte- und Frischluftpole im rückwärtigen Bereich ist daher für die Gesundheit der Anwohner äußerst wichtig.
Im Bild ist die Bauminsel noch als grüne Ausgleichsfläche erkennbar (unter dem Buchstaben “e“ von „Beuel“). Bei weiterer Beschneidung könnte sie ihre Klima- und Umweltfunktion verlieren. Die europäische Union gibt in der Verordnung 2018/841 vom 30. Mai 2018 über die „Einbeziehung der Emissionen und des Abbaus von Treibhausgasen aus Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft in den Rahmen für die Klima- und Energiepolitik“ die Mindestwerte für solche Flächen mit 0,1 ha bei einem Beschirmungsgrad von 10% und Baumhöhen von 5 m an. Diese Parameter sind gegenwärtig noch gegeben.
Eine Nachpflanzung kann die Funktion der in einem Menschenalter (seit 1956) ge-wachsenen Bäume über eine lange Zeit nicht ersetzen!

Zu 2.2
Die Änderung des Bebauungsplans vom jetzigen Zustand auf Wohnbebauung dient vorwiegend den Interessen des Investors, der durch hochpreisige Wohnungen eine möglichst hohe Rendite erzielen möchte. Belange des sozialverträglichen Wohnens sowie die Interessen des Umweltschutzes erscheinen zweitrangig, selbst in der Abwägung mit dem berechtigten Ziel der Innenstadtverdichtung, für die im Übrigen noch reichlich geeignetere und geräumigere Flächen ohne alten Baumbestand verfügbar zu sein scheinen.

Zu 2.3
Bürger, die mit hohem Einsatz an Finanzen und persönlicher Arbeit in eine Immobilie investieren, sollten sich darauf verlassen können, dass Bebauungspläne für ihre Umgebung Bestand haben. Im vorliegenden Fall könnte eine B-Planänderung Anlass zu Entschädigungsklagen geben, weil Nachbarn, die früher bereits Interesse am Erwerb des Grundstücks äußerten, nun nach eventueller B-Planänderung erneut zum Zuge kommen müssten. Ein Verlust der Wohnqualität durch weiteres Zurückdrängen der Natur, durch mehr Verkehr, Sichtbehinderung oder Verschattung ist daher seitens der Politik zu vermeiden, wenn sie weiterhin Einsatz für und Identifikation mit der städtischen Politik erreichen möchte. Wir, die umliegenden Anwohner, haben Angst, dass mit der B-Planänderung ein weiterer Puffer gegen die zunehmenden Hitzesommer und auch Starkregen verschwindet.
Auch ist zu hinterfragen, ob die von der Stadtplanung benutzten Statistiken zum Wohnraumbedarf noch aktuell sind. Ernst zu nehmen sind Berichte über künftigen Leerstand an innerstädtischen Büro- und Geschäftsflächen, welche ggfs. in Wohn-raum umzuwandeln wären und die Wohnsituation entspannen können. Es gibt Prognosen, die für Bonn bereits für 2035 einen Bevölkerungsrückgang um 1.3% vorhersagen (https://www.tagesschau.de/wirtschaft/metropolen-wachstum-prognose-101.html), der durch abnehmenden Druck auf die Ballungsräume infolge 5G-Ausbau auf dem Land und Trend zu mehr Homeoffice ausgelöst wird. Somit wird auf mittlere Sicht der Wohnraumbedarf auch in Bonn zurückgehen; einmal geopferte Naturräume werden aber nicht wieder zurückgewonnen werden können.

3. Stellungnahme zur Planung

Schon auf den ersten Blick fällt die räumliche Gedrungenheit des Vorhabens auf. Auf einem Grundstück, das nicht halb so groß ist wie das der Eigentümergemeinschaft Rudolf-Hahn-Str. 148-154 mit 12 Wohneinheiten soll annähernd die gleiche Zahl von WE, nämlich 11, entstehen. Das legt einen hohen Grad an Flächenverbrauch nahe sowie die Tendenz, an die Grenzen der erlaubten Bebauung oder sogar darüber hinaus zu gehen. Eine kritische Prüfung ist daher angezeigt.
Außerdem fällt auf, dass nicht einmal ein Stellplatz pro Wohnung vorgesehen ist (10 statt 11), was zu weiterem Parkdruck im öffentlichen Straßenraum führen wird.

Im vom Investor mitgelieferten Baumgutachten fällt auf, dass der größte Teil der als nicht erhaltenswert eingestuften Bäume (6 von 9) an der Grenze zum Flurstück 310 steht, ausgerechnet dort, wo die Tiefgarageneinfahrt und die Hauseingänge geplant sind. Beide Baukörper, der hintere (auf Flurstück 317) noch mehr als der vordere (auf Flurstück 318), scheinen im kleinstmöglichen Abstand zur Grundstücksgrenze platziert zu sein.
Das Gutachten lässt außer Acht, dass auch durch baumchirurgische Maßnahmen eine Verbesserung des Zustands der betreffenden Bäume erreicht werden kann, eine Maßnahme, mit der bei den gleichen Baumarten auf dem Nachbargrundstück gute Erfahrungen gemacht wurden. Bisher nicht bekannte lokale Schäden können durch den vergangenen Frostwinter eingetreten sein und sich durch Pflegeschnitte beheben lassen. Immerhin hat die Baumgruppe die beiden vorangegangenen heißen und trockenen Sommer ohne merkliche Schäden überstanden!

Für eine genauere Stellungnahme fehlt im Moment noch die Detailschärfe in der Planung. Ein Satz „Zeichnerische Darstellungen“, der als PDF-Datei zunächst online war, ist von der Website wieder entfernt worden.

4. Fazit: Appell an die Kommunalpolitik

Innenverdichtung ja, aber möglichst ohne Neuversiegelung! Wenn, wie beim vorlie-genden engen Grundstück, so hart an die Grenze des Erlaubten gegangen werden und ein 65 Jahre alter Baumbestand zurückweichen muss, ist das unverhältnismä-ßig! Im Falle der aufgrund der Hochpreisigkeit nicht auszuschließenden hohen Fluktuation oder gar Leerstand wäre ein für das städtische Mikroklima wichtiger Naturraum unwiederbringlich dem Spekulantentum geopfert worden!
Wir Anwohner sind aber schon dadurch gebeutelt, dass durch die enorme Büroan-siedlung im Landgrabenweg die Rudolf-Hahn-Str. zu einer Hauptverkehrsstraße geworden ist mit teils grenzwertiger Lärm- und Abgasbelastung. Nun soll die rückwärtige Ruhezone mit einer Vielfalt an Vögeln und Kleintieren auch noch einem vermeintlichen (?) Siedlungsdruck zum Opfer fallen. Ist das von der Kommunalpolitik zu verantworten? Kann das im Sinne der neuen Ratsmehrheit sein?

NULL BÄUME FÜR KLÖTZE!

5. Forderungen

5.1 Wir sprechen uns für den Erhalt aller alten Bäume auf dem Flurstück 317 aus. Eventuelle lokale Schäden z.B. aus jüngsten Frost- oder Trockenheitsereignis-sen sollten baumchirurgisch behandelt werden.
5.2 Wenn überhaupt, sollte der B-Plan nur für das durch Garagen bereits teilversiegelte Flurstück 318 (s. Bild) geändert werden, wie es bereits früher einmal vorgesehen war (Bauvoranfrage Eheleute Kuhl von 1999 mit Bitte um Befreiung vom B-Plan 7921-2 von 1974).
5.3 Alle baurechtlichen Vorgaben müssen strikt eingehalten werden und die Pla-nung von unabhängigen Experten überprüft werden.
5.4 Dasselbe gilt für die Prüfung des Zustands der Bäume und der Belange des Artenschutzes. Beobachtungen von Nachbarn müssen in die Gutachten einfließen.
5.5 Bäume und übrige Vegetation der Nachbargrundstücke müssen in ihrem Be-stand unbeschädigt bleiben. Es wird darüber hinaus gefordert, den Nachbarn eine Bepflanzung unmittelbar an ihrer Grundstücksgrenze zu erlauben, damit dort sichtschützende Vegetation angepflanzt werden kann.
5.6 Wir verlangen Computersimulationen des Einflusses auf Verschattungen, ins-besondere für die Monate mit niedrigem Sonnenstand, sowie auf Veränderun-gen der Luftzirkulation.
5.7 Umbauten, die an der Grenzmauer des Nachbargrundstücks vorgenommen wurden, müssen zurückgebaut werden, falls die Garagen abgerissen werden.
5.8 Die Bauausführung sollte mit den Nachbarn abgestimmt werden.
5.9 Bei Ausschusssitzungen des Stadtrats zu dem Thema sollen die Nachbarn Gelegenheit zum Vortragen ihrer Bedenken bekommen.
5.10 Eventuelle negative Auswirkungen auf den Verkehrswert der umliegenden Immobilien sind bei einer Neuberechnung der Grundsteuer zu berücksichtigen.

6. Unterzeichner

Betroffene Bewohner und Eigentümer der Wohnanlage Rudolf-Hahn-Str. 148 – 154:

• Hilde und Bernd Stachetzki
• Rudolf Riede und Familie
• Silvia Serries-Hofmann und Horst Hofmann
• Hedda Richard
• Ellen Runald
• Sandra von Dreusche und Familie
• Andrea Rehermann und Familie
• Corinna Winter
• Gisela und Dr.Wolfgang Steinborn
• Rafaela Steinborn, Dr.Tobias Horst-mann und Familie
• Claudia Allanic und Familie
• Janina Heinemann und Dr.Markus Stahlschmidt
• Jana Hoever

Weitere Unterstützer:

• Therese und Farhang Motamedi
• Nadja Motamedi
• Helena und Heinz-Joachim Mangold
• Manfred und Christel Bartsch
• Irmtraut und Wolfgang Schebben
• Mel Krug und Helga Kranz
• Thomas Blankenstein und Familie
• Nikolaus und Margot Keul
• Ingeborg Jansen
• Marlies und Anton Muth
• Christa und Claus Blase
• Gerda und Gerd Morbach

Das stetige Anwachsen der Unterstützerzahl zeigt, dass der Erhalt innerstädtischer Klimainseln gleichermaßen angrenzenden als auch nicht unmittelbar angrenzenden Nachbarn ein Anliegen ist