Beteiligung 2017: Zur Vorgeschichte der Bürgerbeteiligung Viktoriakarree
Die Bundesstadt Bonn hat mit dem „Masterplan Bonn Innere Stadt" ein Instrument geschaffen, um den inneren Stadtbereich aufzuwerten und zu stärken. Er ist Grundlage für die Stadtentwicklung. Im Rahmen dessen erfolgt die weitere Projektentwicklung. Ein Projekt ist die Entwicklung des ehemaligen Viktoriabades und des Viktoriakarrees.
Grundstück
Das Viktoriakarree liegt im südöstlichen Bereich der Bonner Innenstadt. Hier befand sich lange Zeit das Viktoriabad, das zum 31. Mai 2010 aufgegeben wurde und einer Nachnutzung zugeführt werden soll. Das Grundstück befindet sich in einem Baublock, der durch Wohnen, Einzelhandel, Dienstleistung und Gastronomie geprägt ist. Die Bebauung stammt aus dem Wiederaufbau nach dem II. Weltkrieg. Das Viktoriabad wurde in den 1960er-Jahren errichtet. In dem Komplex des Viktoriabades sind auch das Stadtmuseum und die Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus untergebracht. Das Grundstück wurde EU-weit ausgeschrieben. Der Verkauf wurde durch ein erfolgreiches Bürgerbegehren gestoppt.
Masterplan Innere Stadt Bonn
Nach Aufgabe der Nutzung als öffentliches Bad wurde im „Masterplan Innere Stadt Bonn“ das Potential dieser Liegenschaft für eine Entwicklung der Innenstadt untersucht (DS-Nr. 1211025ED2). Im Ergebnis ist festzuhalten, dass sich das Viktoriabadareal zur Bildung von Mischstrukturen sehr gut eignet. Neben der Wohnnutzung werden im „Masterplan Innere Stadt“ Büro-, Dienstleistungs-, aber auch großflächige Einzelhandelsnutzungen als Ergänzung zum Standort Bonner Innenstadt genannt.
Die „City funktional und gestalterisch zu stärken“ wird im Masterplan Innere Stadt als Handlungsfeld im Zusammenhang mit dem Viktoriakarree benannt. Weiteres Handlungsfeld ist die „Öffnung der Inneren Stadt zum Rhein“, das die Verbindungen vom Marktplatz aus über die Rathausgasse und Stockenstraße umfasst. Der durch die Rathausgasse verlaufende Cityring wird aber als neuralgischer Punkt für die attraktive und leitungsstarke Weiterentwicklung der Innenstadt gesehen. Eine Herausnahme des motorisierten Individualverkehrs wird daher als hilfreich angesehen. Dadurch könnte auch das Viktoriakarree an die Fußgängerzone besser angebunden werden.
Das Viktoriabadareal mit Umfeld und die Verbindungen zum Rhein sind Teil des Leitmotivs „Urbanes C“, die Aufweitung der Bonner City ist Teil der Idee des so genannten „Citybogens“.
Die bauliche Entwicklung des Viktoriabadareals sollte die historischen Raumkanten aufnehmen und sich an der Höhe der Trauf- und Firstkanten in der Umgebung orientieren. Das Areal ist Teil des urbanen Umfelds und sollte mit seinen Ein- und Zugängen auf die Nachbarschaft reagieren. Attraktive Zugänge zum Rhein und die Erweiterung der Fußgängerbereiche in die Rathausgasse, Stockenstraße und Franziskanerstraße sollten angelegt werden.
Verkehr
Aus dem „Masterplan Innere Stadt“ ist die verkehrliche Umorganisation des City-Rings zu einem „City-Bogen“ abgeleitet. Es wurden Untersuchungen zur Umsetzung des Citybogens beauftragt. Die Umsetzung des Citybogens und die bessere Anbindung des südöstlichen Teils der Bonner Innenstadt an die Fußgängerzone und die damit verbundene Cityerweiterung sind von verschiedenen Faktoren abhängig.
Um die Straßen um das Viktoriakarree möglichst vom motorisierten Individualverkehr freihalten zu können, spielt auch die Ein- und Ausfahrtssituation der City-Tiefgaragen, die weiterhin für die Erschließung der Innenstadt notwendig sind, eine Rolle. Um dies zu gewährleisten, wurde ein Szenario mit einer unterirdischen Verbindung der bestehenden Tiefgarage Markt und Universität und einer möglichen neuen Tiefgarage im Viktoriakarree entwickelt, die Bestandteil der Ausschreibung des Grundstücks war.
Für die Stockenstraße und weiterführend zum Rhein liegt eine beschlossene Vorplanung für die Umgestaltung vor (DS-Nr. 0912289). Diese sieht eine teilweise Einrichtung einer Fußgängerzone in der Stockenstraße vor. Sie ist weiter Anhaltspunkt für die weitere Umgestaltung.
Cityerweiterung - Einzelhandel
Im Jahr 2013 wurde eine Potentialanalyse zum Einzelhandel in der Bonner Innenstadt beauftragt. Die Potentialanalyse des Büros Stadt- und Regionalplanung Dr. Jansen – DS-Nr. 1311754ED2 – kommt zu dem Schluss, dass eine Erweiterung der Innenstadt mit Einzelhandel sinnvoll, wenn nicht sogar notwendig ist. Zur Wirksamkeit des Einzelhandels für eine tatsächliche Erweiterung der City sind aber ein bestimmtes Volumen und auch die Großflächigkeit notwendig.
Quartiersentwicklung
Zur Steuerung der baulichen Entwicklung hat die Stadt Bonn die Aufstellung eines Bebauungsplans und die Aufhebung des bestehenden Bebauungsplans als rechtliches Instrument parallel zum Ausschreibungsverfahren beschlossen (DS-Nr. 1411093). Das Planungsgebiet umfasst den gesamten Baublock. Als Ziel ist formuliert, als Hauptnutzung Einzelhandel vorzusehen. Die noch einschließlich der nichtstädtischen Flächen dargestellte Unterbringung der Philologischen Präsenzbibliothek der Universität ist inzwischen obsolet geworden. Daneben soll er weiterhin Kultur- und Freizeiteinrichtungen, Büros, Gastronomie und Wohnen zulassen. Mit Beschluss vom 17. September 2015 (DS-Nr. 1512021) wurde der Beschluss unter dem Eindruck der Ergebnisse der Ausschreibung präzisiert. Einige Inhalte sind durch das erfolgreiche Bürgerbegehren überholt. Im Nachgang zur Bürgerwerkstatt kann eine Anpassung der Ziele erfolgen.
Stadtmuseum und Gedenkstätte
Stadtmuseum und Gedenkstätte sind derzeit im Viktoriakarree untergebracht. Die ursprüngliche Planung sah vor, sie zu verlegen. Der Bestand von Stadtmuseum und Gedenkstätte soll langfristig gesichert sein. Die für die Verlagerung bisher präferierte Lösung der Unterbringung in der Pestalozzischule wird aktuell nicht mehr weiter verfolgt. Prüfungen haben ergeben, dass sich der bauliche Komplex auf Grund von Haustechnik und Zugangsbereichen nur schwer trennen lässt und die Nutzungsmöglichkeiten bei einem Verkauf des Grundstücks einschränkt sind. Die mögliche, anderweitige Unterbringung ist aber weiterhin nicht klar (siehe auch DS-Nr. 1512021).
Denkmalschutz
Der Denkmalschutz spielt zum einen durch die unmittelbare Nähe zu dem denkmalgeschützten Gebäude der Universität und dem ebenso geschützten Alten Rathaus eine Rolle, zum anderen weist die Schwimmhalle ein Kunstharzfenster auf, das unter Denkmalschutz steht. Dadurch muss die Entwicklung des Viktoriakarrees sowohl die Umgebung respektieren und sich behutsam in die Umgebung einfügen als auch das Kunstharzfenster berücksichtigen. Dieses soll sich in eine bauliche Entwicklung einfügen und muss auf jeden Fall erhalten werden.
Die aktuelle Ausgangslage
Das Grundstück wurde unter vielfältigen Randbedingungen ausgeschrieben, vgl. o.g. Beschluss. Die Hinzunahme weiterer Grundstücke war dabei zulässig. Zwei Bieter haben für das Grundstück Angebote abgegeben. Beide haben die Rahmenbedingungen in unterschiedlicher Weise interpretiert und umgesetzt. Der Zuschlag durch den Rat der Bundesstadt Bonn ist an den Bieter gegangen, der eine Einzelhandelsentwicklung vorsieht. Dazu hat der Bieter auch weitere Grundstücke in dem Baublock erworben, um zusammenhängende Flächen zwischen Stockenstraße/Rathausgasse und dem Viktoriabad für die Entwicklung von Einzelhandel realisieren zu können. Die Unterbringung einer universitären Bibliothek (inzwischen obsolet) war ebenfalls vorgesehen.
Dieser Zuschlag ist durch die Initiative „Viva Viktoria“ mit einem Bürgerbegehren angegangen worden. Für das Bürgerbegehren wurden 16.417 gültige Unterschriften gesammelt. Die Abstimmungsfrage des Bürgerbegehrens lautete: „ Soll der Verkauf der städtischen Grundstücke (Flurstücke Gemarkung Bonn, Flur 60, Flurstücke 341, 342, 344 und 253) im sog. Viktoriakarree (Areal zwischen Belderberg, Franziskanerstraße, Stockenstraße und Rathausgasse) incl. des Bonner Viktoriabades an die „Bonn.Viktoria-Karree Immobilien GmbH & Co KG unterbleiben?“. Die Begründung dazu lautet: „Der Bonner Stadtrat hat am 18.06.2015 mehrheitlich beschlossen, die städtischen Grundstücke im sog. Viktoriakarree an den Investor „Bonn.Viktoria-Karree Immobilien GmbH & Co KG“ (Tochtergesellschaft der SIGNA) zu verkaufen. Diese Gesellschaft beabsichtigt, die bestehende Bebauung im Viktoriakarree weitgehend abzureißen und dort insbesondere eine großflächige Einkaufsmall neu zu errichten. Das derzeitige Viktoriakarree ist aber ein gewachsenes Viertel mit einer erhaltenswerten städtebaulichen Struktur. Die Pläne des Investors würden den vielfältigen Nutzungsmix im Viertel, bestehend aus Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Gastronomie in der bestehenden Form unwiderruflich zerstören. Zudem würde auch die kulturell-historische Nutzung in Gestalt der Präsenz des Stadtmuseums und der Gedenkstätte für die Bonner Opfer des Nationalsozialismus verdrängt. Um diese negativen Entwicklungen auszuschließen, soll die Stadt Bonn ihr Grundvermögen nicht an den Investor verkaufen.“ Der Rat der Bundesstadt Bonn ist dem Bürgerbegehren am 30. November 2015 beigetreten. Der Verkauf des Grundstücks wurde gestoppt. Das Vergabeverfahren wurde inzwischen aufgehoben. Weiterhin hat der Rat der Bundesstadt Bonn beschlossen, eine Bürgerwerkstatt durchzuführen. Ziele und Rahmenbedingungen dieses Prozesses sind nachfolgend dargestellt.
Der Städtebau- und Gestaltungsbeirat der Stadt Bonn hat sich in seiner Sitzung am 28. April 2016 mit dem Thema beschäftigt. Der Beirat empfahl der Verwaltung im Rahmen des neuen Bürgerwerkstatt- und Planungsprozesses die Qualitäten des Karrees herauszuarbeiten, funktionierende Nutzungen mit einzubeziehen, die Heterogenität der derzeitigen und künftigen Nutzungen als Qualitätsmerkmal zu begreifen, die unterschiedlichen Akteure zu beteiligen, Aussagen zu sich teilweise widersprechenden Grundpositionen und vor allem Abhängigkeiten (Denkmalthemen, Verkehrsthemen, Finanzierungsthemen, Grundstücksverfügbarkeiten) von Beginn an klar zu kommunizieren.