Urbane Seilbahnen sind keine Universallösung
(Hier kommt mein Fazit aus 1,5 Monaten Mitarbeit hier in der 2ten Onlinediskussion.)
Der Satz im Betreff ist von Herrn Muschwitz. Andere sagen auch so was wie, dass Seilbahnen sich nicht für jeden Zweck eignen oder dass eine Seilbahn sich als Zubringer eignen. Aber warum ist das so?
Fangen wir mal mit den Fakten an:
- Eine Seilbahn kann nicht unendlich lang sein. Bei ca. 6 Km länge ist wohl Feierabend.
- Viele Umlenkungen erhöhen den Energieverbrauch und verschlimmern die Abnutzung. Das geht 1:1 auf die Betriebskosten.
- Eine Seilbahn wird mit 25 Jahren Betriebszeit kalkuliert. Danach kann man die Seilbahn zwar auch noch nutzen, aber irgendwann werden teure Erneuerungen nötig.
- 3-S-Bahnen haben neben der höheren Transport-Kapazität deutlich weniger Windprobleme und nutzen weniger Stark ab, dafür sind Sie deutlich teurer
- Die maximale Taktung liegt bei 22 Sekunden. Um keine Betriebsprobleme zu bekommen, wird ein Takt mit weniger als 30 Sekunden dauerhaft kaum Möglich sein.
- Um die Taktung von 30 Sekunden gewähren zu können, muss Ein- und Ausstieg optimiert sein, den Stehzeiten verlängern die Fahrt und generieren Staus.
- Laut ABCDE-Institut wird Empfohlen, keine direkte Umlaufseilbahn zu bauen, da im Falle eines Ausfalls direkt beide Richtung betroffen werden. Im Endeffekt bedeutet dass Motoren und ein Zugseil, was Leer zurück gezogen wird.
- Das Parken (Garagieren) von Gondeln darf auch nicht als Unwichtig angesehen werden, denn es erhöht die Flexibilität bei der Taktung und hilft, bei Sturm de Gondeln schneller in Sicherheit zu bringen. Es geht aber auch die Baukosten, da die Stationen dann größer würden und man mehr Gondeln braucht.
- Richtungswechsel, ist die letzte Komponente einer Station. Dieses macht bei den Mittelstationen Sinn, da man ggfs auf hohe Fahrgastzahlen oder eine Störung reagieren muss.
Ich fasse mal alles zusammen und halte mich mal weitest gehend an dass, was bekannt ist. Natürlich nehme ich bestimmte Mengen an (wie zb. das aus einem Zug ca 25% einer Vollbesetzung aussteigen.) Dafür bewerte ich keine Mengen an Fußgängern, Radfahrern, Strassen oder U-Bahnen und auch keine Mengen an Autofahrern (die es ja so wie so nicht geben darf laut Projekt)
Auch gehe ich nicht von Kinderwägen, Rollstühlen oder Fahrradmitnahmen in der Rushhour aus. Das ist falsch, aber auch ohne das recht mein Rechenbeispiel aus.
Woran plant nun Bonn?
Derzeit denkt man an eine 1-S-Seilbahn mit Gondeln, die bis zu 16 Personen fassen können. Die Angabe wird aber sicherlich wie in Aufzügen sein: 6 Personen Aufzüge sind mit 5 Personen in der Regel voll und bei 6 ist es eine Sardinenbüchse. Aber Egal. Wir nehmen mal 16 Personen an.
Die Trasse wird derzeit geschätzt in der längsten Ausführung ca. 4,8 Km lang sein. Die restliche Strecke würde noch bis um Ennert reichen, wo sich einige Parkraum wünschen, den es sonst an allen 5 (!) Haltepunkten nicht gibt. Man startet also ohne Parkplätze und hofft, dass ALLE mit Fahrrad, Bus, Bahn oder Zug anreisen. Das das Utopisch ist, erkennt man schon, wenn man weis, wie es vor einer normalen Schule Morgens um 7:55 Uhr zugeht. Das sind die jungen Erwachsenen, die 2030 die Seilbahn nehmen sollen OHNE vorher mit dem PKW anzureisen. Wer es Glaubt, wird Seelig oder braucht einen guten Arzt.
Die Gondeln sollen im 2 Minuten Takt fahren. Bei den genannten kleinen Stationen (Das ABCDE-Institut geht von einer Länge von 66 Metern je Station aus, Bonn nur von durchschnittlich 18 Metern) wird man kaum Garagieren können, daher nehmen wir mal großzügig 4 Gondeln in den mittleren Stationen und 10 Gondeln in den Endstationen an. Unsere Seilbahn kann also maximal 32 Gondeln fassen. Um den 2 Minuten Takt erreichen zu können braucht man alle 210 Meter eine Gondel. Das sind 26 Gondeln. Das würde also reichen.
So, kommen wir mal zur Praxis und der Antwort auf die Frage: Warum eignet sich eine kostengünstige Seilbahn nicht für Bonn?
Nehmen wir an, dass am zukünftigen S-Bahn-Halt Ramersdorf ein Zug ankommt. Ein solcher S-Bahn-Zug hat 200 Sitzplätze und 300 Stehplätze. Die Taktung der S-Bahn ist im Berufsverkehr alle 20 Minuten. Nehmen wir mal an, dass nur ein viertel einer vollbesetzen S-Bahn in die Seilbahn umsteigt. Dann sind das 125 Personen. Die Seilbahn braucht 8 Gondel zum Abtransport (und das wird nicht Bequem). Da müssen die Stationsmitarbeiter sicherlich ein wenig bitten, damit auch jede Gondel voll wird. Nach 4 Minuten wird die Station theoretisch Menschenleer sein. Allerdings sind dann nur noch 4 Gondeln geparkt. (2 kommen in der Zeit noch an) Die Seilbahn geht in den normalen 2 Minuten Takt zurück. Nun kommen durch die U-Bahn und die Busse, sowie Fußgänger, Radfahrer und PKW-Nutzer kontinuierlich Gäste an. Ich bleibe jetzt mal über Fair und behaupte, dass die Seilbahn das mit jeweils einer Gondel pro 2 Minuten schafft. Es bleibt also bei 4 parkenden Gondeln. Nach 16 Minuten kommt die nächste S-Bahn mit weiteren 125 Fahrgästen. Für diesen Abtransport braucht die Seilbahn nun wieder 8 Gondeln, aber hat nur 4, dass heißt, die ersten 2 Minuten kommt die hälfte der Fahrgäste weg und danach dauert es weitere 8 Minuten, bis die S-Bahn-Gäste raus sind. In der Zeit sind aber weitere Fahrgäste angekommen und müssen auch warten. 10 Minuten später kommt die nächste S-Bahn und dann wird es 16 Minuten brauchen, bis die Fahrgäste auf dem Weg sind. Zwar kommen nach einer weile auch wieder mehr Gondeln an der Station und dadurch wird es vielleicht an den Endhaltestellen nicht zum Chaos kommen, aber mit Wartezeiten ist zu rechnen. Das Akzeptiert man im Urlaub, aber nicht im Berufsverkehr. Der Spuk wird insgesamt ca. 3 Stunden so laufen. An den Mittelstationen wird es je nach Lage nicht weniger schlimm werden.
Die Rheinaue sehe ich als Unkritisch an. Da wird man wahrscheinlich am Morgen noch nicht mal Halten.
Am UN-Campus kommen Züge an. Ein Regionalzug kann ca. 1000 Menschen fassen. Ein Viertel sind 250 Menschen. Wenn man die Menge noch mal halbiert (weil 2 Richtungen) kommt man wieder auf 125 Menschen (=8 Gondeln). Da die Stationen aber weniger Gondeln parken können und zudem die Gondeln teilweise vollbesetzt einlaufen oder direkt durchfahren, wird es hier noch schlimmer. Hinzu kommt, dass hier Züge aus Bonn und Bad Godesberg einfahren werden. (Zur Rushhour sind das aktuell 7 Züge die Stunde). Zur Haltestelle UN-Campus werden aber auch Fahrgäste der U-Bahn (HBF und Bad Godesberg), der Busse, Fahrrad, Fußgänger und PKW-Fahrer erwartet. Letztere haben hier das einzigste Parkhaus auf der Seilbahnstrecke.
Am Hindenburgplatz kommen Strassenbahnen im 5 Minutentakt und Busse an. Sollte es dann noch freie Seilbahngondeln geben, werden die kaum Ausreichen, um hier weiter zu kommen.
Der Venusberg ist Morgens wahrscheinlich die einzigste Haltestelle, die nicht im Chaos versinken wird.
Am Morgen werden ungefähr 75 % der Menschen die Hin-Strecke rauf auf den Berg nehmen. Die Masse konzentriert sich dabei auf 8:00 Uhr. Insgesamt wird der Verkehr zwischen 7 und 9 Uhr erwartet. Das wären 3600 Fahrten, also 1200 je Stunde. Mit 16 Personen je Gondel und 2 Minuten Taktung wird man 480 Personen in der Stunde befördern können. Würde man die Taktung auf alle 30 Sekunden verkürzen, dann kann man sich das Umdrehen zwar sparen, aber man kann schlecht von Spitzenlast auf Normalbetrieb wechseln. Zudem kann man so Störungen nicht mehr so gut abfangen. Auch geht das massiv auf den Verschleiß, da bei der 1-S-Seilbahn das Zug-Seil und das Trag-Seil das selbe ist. Ausserdem muss man die Stationen dann größer bauen, was neben Baukosten auch mehr Protest bringen wird.
Vormittags und Mittags (ab 10:00 Uhr) wird es dann leer auf der Strecke und de Gondeln werden dann wieder teilweise die Parkgaragen auffüllen und die beiden Zugseile befördern halbvolle oder leere Gondeln.
Nachmittags verteilen sich die Menschenströme mehr, so dass ich davon ausgehe, dass es weniger Probleme geben wird. Ggfs um 16 - 17 Uhr wird es noch mal eng auf der Strecke nach unten.
Fazit: Eine Seilbahn eignet sich als Zubringer und Stetigförderer, also als Transportmittel ohne Spitzenbelastung. Wenn man nun die Seilbahn so planen möchte, dass man auch die Spitzen abfangen möchte, dann muss man entweder die Taktung extrem kurz halten oder tatsächlich den Erstvorschlag von Herrn Monheim umsetzen und eine 3-S-Seilbahn bauen mit 35-Personen-Gondeln. Alleine die Seilkonstruktion wird ein x-faches teurer, aber dafür ist es dann etwas günstiger im Verschleiß (was dann durch mehr Seile sicherlich kompensiert wird). Die Stationen müssen dann auch deutlich größer werden, da größere Gondeln mehr Platz brauchen. Der Stromverbrauch wird auch höher, was die SWB, die derzeit schon kaum schwarze Zahlen schreibt, nicht erfreuen wird. Der Aufwand wird dann für 3 - 5 Stunden am Tag getrieben um am Ende (in 2030) maximal 10% Entlastung für die Strassen zu bringen. Laut AIV wird die Robert-Koch-Strasse von 2013 nach 2030 eine Steigerung von ca. +50% Last erleben. Das wird auch anderen Strassen in Bonn blühen, denn alleine die Steigerung der Uniklinik muss ja irgendwie zur Robert-Koch-Strasse kommen. Die Entlastung durch die Seilbahn wären von der Steigerung ca. 15 %. Wir haben hier also folgende Optionen:
1. Wir tun nix und haben dann 150% Last und Akzeptieren unser Schicksal der Bequemlichkeit
2. Wir bauen die kleine Seilbahn und haben 135 % Last + Stau auf der Seilbahn + Stau in den anderen Stadtteilen + Extra-Stau durch Seilbahnnutzer + verschärften Parkplatzmangel an den anderen Haltestellen + mittlere Baukosten und hohe Betriebskosten
3. Wir bauen die große Seilbahn und haben 135 % Last + Stau in den anderen Stadtteilen + Extra-Stau durch Seilbahnnutzer + verschärften Parkplatzmangel an den anderen Haltestellen + hohe Baukosten und hohe Betriebskosten
oder
4. Wir setzen andere Vorschläge um, wie die Radwege, E-Busse, Unterführung unter die Bahnstrecke, Dezentralisierung der Unikliniken, Nutzung von Homeoffice, Digitalisierung der Unikliniken, Telemedizin, Veränderungen im Schichtbetrieb, Förderung von E-Bikes, Parkraummanagement usw. Das Gesamtpaket wird nicht billiger, aber man kann es besser dosieren, es ausprobieren und Optimieren. Gefördert werden kann es auch oder es kann Gesponsort werden oder es spart oder bringt am Ende Geld oder ermöglicht ganz neue Möglichkeiten.
Ich bevorzuge letzteres, da es Bonn als Stadt wirklich voran bringt und es so vielfältig ist, wie unsere Stadt und dessen Bürger. Ein Seil quer durch Bonn ist starr und unflexibel.
Die Welt dreht sich so schnell weiter, da muss man den Anschluss behalten. Wer hätte vor 15 Jahren gedacht, dass wir Milliarden von Kurznachrichten, Bilder und Videos täglich über wenige Plattformen verteilen im Internet Posten und dabei diese dann von fast jeden Fleck aus abrufen können. 2001 waren wir gerade dabei DSL mit 768b/s kennen zu lernen und hatten erste Internet-Flat-Rates. Smartphones gab es noch nicht.
Wie viel die einzelnen Maßnahmen bringen werde muss man ermitteln. Dafür bräuchte man ein weiteres Gutachten, aber auch ohne dieses muss man sich Fragen: Muss man immer die Menschen auf den Berg bringen oder kann die Arbeit zu den Menschen kommen lassen?
Die Telekom zb. verfolgt mit HomeOffice, FlexDesk und anderen Maßnahmen exakt diese Philosophie. Man Arbeitet nicht mehr an einem festen Arbeitsplatz und arbeitet öfters von Zuhause. Vor 10 Jahren gab es permanent Präsenzmeetings, wo man sich teilweise für eine Stunde getroffen hat. Telekom zog da irgendwann mal die Kostenbremse an und die Leute waren gezwungen Telefonkonferenzen und Videokonferenzen zu organisieren. Sicherlich war das anders, aber auch schnell bequemer, denn man kann den Bildschirm für die anderen Teilen oder auch mal 50 oder 100 Leute zusammen bringen und es wurden weniger Reisekosten. Warum soll das nicht mit Telemedizin, Homeoffice und Onlinehörsaal auch bei der Uniklinik für eine Verbesserung sorgen? So viel Innovation schockt erst mal, aber der Weg wird dort hin gehen. Warum nicht ein paar Jahre früher?
Warum die Radwege ausbauen? Nun ja, die Uniklinik-Mitarbeiter wohnen relativ Nah und dank der E-Bikes wären ungefähr die Hälfte der Mitarbeiter in der Lage mit der Anreisezeit eines PKWs +50% zur Arbeit zu kommen und das bis vor die Gebäude ohne lästige Parkplatzsuche und ohne Parkkosten. Ich habe schon Mitarbeiter getroffen, die das machen und die waren Positiv angetan, aber es wurden die abwasserrillen in den Wegen bemängelt und dass eben nicht jeder Weg geeignet ist, um dort Rauf zu gehen oder fahren. E-Bikes wären aber auch was für den Stadtverkehr. Der ADFC sollte langsam mal aufwachen aus dem Sirenengesang ihres Mitglieds Herrn Monheim und sich mal wieder auf Ihre Kernaufgabe konzentrieren und den Fahrradverkehr fördern. Nach meinem Wissensstand ist ja auch nicht Herr Monheim mit der Seilbahn verheiratet (aber so wie es ausschaut, ist es die heimlich Geliebte ;) ) und er fährt doch auch in jedem Fernsehbeitrag Rad. Warum dann nicht mal was dafür tun oder ist das alles nur Show? Es wäre Schade drum.
Ich erwarte nun am Ende de 2ten Onlinediskussion, dass sich die Verantwortlichen mal viele der Aussagen und der Meinungen Ihrer Bürger zu Herzen nehmen.
Das Pro hatte aus meiner Sicht ausser viel Lob und verbissenen Anfeuerungsrufen nicht so viel gutes zu bieten. Das die Verbissenheit bis in Drohbriefe geendet hatten finde ich noch schlimmer als den Gedanken einer urbanen Seilbahn in Bonn. Ich hoffe, dass es in der 3ten Online-Diskussion wieder gesitteter zugeht.
Das Contra war aus meiner Sicht viel Fassettenreicher. Manche Gedanken waren sicherlich nicht ausgereift und benötigen einer genaueren Untersuchung. Ich wünsche mir aber von der RaumKom dass alle Ideen (Egal ob Pro oder Contra) auflistet werden und mit deren Häufigkeit in den nächsten Review kommen. Es wird zeigen, dass Bonn mehr Innovation kann und einige der Ideen könnte man zu sofort umsetzen, was die Entlastung zeitnah zulässt. Die Meinung der 2ten Onlneumfrage muss in der Machbarkeitsstudie endlich dargestellt werden, denn aus meiner Sicht kann der Stadtrat nicht Objektiv entscheiden, wenn Ihm nur einseitig Informationen gegeben werden. Aber wenn das Projekt dieses nicht nach oben trägt, dann helfen wir Bonner Bürger doch gerne mal aus, denn BONN MACHT MIT.
So, viel Text, aber das wollte ich noch unbedingt los werden.
Ich wünsche allen Befürwortern (insbesondere Frau Dreymann und der Anwohnerinitiative Venusberg) und allen Gegnern dieser Seilbahn, allen Stadratsmitgliedern, dem Oberbürgermeister, dem Herrn Isselmann samt dem Amt 61, sowie den Mitarbeitern der Unikliniken, der SWB, der VSU und der RaumKom von Herzen eine ruhige Weihnachtszeit, endlich wieder viel Zeit für die Familie und einen guten Rutsch nach 2017.