Gute Ausstellungen und Impulse an einem angemessenen Ort in richtiger Lage

In einigen Beiträgen wird bemängelt, dass in der bisherigen Dauerausstellung des Stadtmuseums die einzelnen Stadtbezirke zu kurz kommen. Wäre es daher nicht ratsam, wenn die bestehenden Geschichtsvereine, Stadtteilmuseen und Arbeitskreise stärker in die Projekte der zentralen musealen Einrichtung für Bonner Stadtgeschichte eingebunden werden, ihr zuarbeiten und sie im Sinne eines Work in Progress mit immer wieder neuen Beiträgen beliefern, auch um die Dauerausstellung in Schwung zu halten?

Als mindestens ebenso wichtig wie die Dauerausstellung, wenn nicht als noch wesentlicher, erachte ich jedoch ein Ausstellungsprogramm für künftige Einzel- und Wechselausstellungen.

Mich beeindruckt zwar, mit welcher Tragweite die Stadt Bonn sich bemüht, ein verloren gegangenes Areal für Stadtgeschichte und Stadtmuseum zurückzugewinnen. Einerseits bestürzt es mich im Vergleich zu anderen Städten und Kommunen, in denen die Bedeutung eines regionalgeschichtlichen Museums nie ernsthaft zur Debatte stand, andererseits war der Zustand in Bonn auch aus vielerlei Gründen absehbar (und eignete sich übrigens hervorragend als Stoff für eine künftige Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit; Thema: Geschichtslosigkeit infolge zu großer Identifikation mit einer verloren gegangenen, nur mehr historischen Rolle ... dabei ist Bonn tatsächlich die einzige Stadt in Deutschland, die einmal Bundeshauptstadt war – ein Alleinstellungsmerkmal!)

Vorläufig nur folgender Tipp: Erzählen Sie auch nur eine bedeutsame Geschichte „richtig“, egal ob sie sich in Rüngsdorf, Tannenbusch, Schweinheim, Holzlar, Poppelsdorf, Schwarzrheindorf, Bonn-Mitte oder auf dem Hardtberg zugetragen hat, greifen Sie in das Füllhorn der unendlichen packenden und vielgestaltigen Geschichten, die noch nie in dieser Stadt erzählt wurden, hinein und sorgen Sie dafür, dass auch nur eine Begebenheit in ihrer Multiperspektivität erkannt und plastisch geschildert wird, kritisch durchleuchtet, neue Eindrücke vermittelnd und überraschende Erkenntnisse fördernd, bringen Sie die Vergangenheit zum Klingen in einem Klangraum, der es in sich hat, dann haben Sie den Erfolg, den man sich in Bonn für ein Stadtmuseum wünscht, der weit über die Stadt hinausreicht und ebenso zurückstrahlt auf die Institution selbst und auf ihre Dauerausstellung. Auch über das Münchner Stadtmuseum würde niemand reden, wenn dort nicht gelegentlich herausragende Ausstellungen mit weit über München hinausgehender Strahlkraft stattfänden. Dazu gehört allerdings auch ein sozialkritisches, sozialgeschichtliches, aber eben gegenwartsbezogenes Anliegen, das sich nicht allein darin erschöpft, die Gegenwart über das Vergangene zu „belehren“, sondern sich vielmehr nach Kriterien der lebendigen geschichtlichen und politischen Bildung ausrichtet.

Ich erinnere mich an spektakuläre Ausstellungen und Aktionen im alten Rheinischen Landesmuseum und auch im Bonner Kunstmuseum, die von Tausenden aufgesucht wurden, nicht weil sie sich darin „wiederfinden“ wollten, sondern aus reinem Interesse, aus reiner Neugier. Was ihnen geboten wurde, war so gut, dass es ihnen den Atem verschlug, ihnen neue Horizonte eröffnete und bis heute „wirkt“. Nur so erreichen Sie die Menschen, nicht durch Kauen von Vorgekautem und nicht durch die vermeintliche Demokratisierung des Historischen unter dem Vorzeichen der mir in den städtischen Überlegungen auch gleich wieder viel zu oft vorkommenden Erinnerungskultur. Die Gefahr, dass „Erinnerungskultur“ zum Selbstzweck wird, alles mit allem irgendwie zusammenhängen lässt, mit dem Ergebnis eines konturlos zusammengerührten Breis, ist gegeben. Im Unterschied zur reinen Geschichtswerkstatt braucht ein präsentes erzählendes Museum Kontur, Position, Eloquenz, Anziehungskraft, Pointe, kurzum: Innovation durch erzählerisches Potential und ein ebenso anspruchsvolles wie ansprechendes Niveau der Rhetorik, Vermittlung und Erkenntnisbildung, ohne das komplexe Sachverhalte nicht schilderbar sind. Wenn es dazu käme, wäre es für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt und ihre Gäste aus aller Welt ein großes Geschenk.

Zum Ort: Das Alte Rathaus halte ich tendenziell, zumindest was seine Lage anbelangt, für richtig. Ich möchte jedoch davor warnen, dieses Gebäude, ein Wahrzeichen Bonns, für das Stadtmuseum voll zu beanspruchen, nachdem man es über Jahrzehnte in dieser Stadt darauf ankommen ließ, dass umgenutzte Saunatrakte die zentralen Spielflächen sind. Das Alte Rathaus wäre das andere Extrem: ein Abgleiten in Pompösität aus falsch verstandenem Ehrgeiz, den ich für überdeterminiert, zudem geschichtslos halte, weil ein derartig wuchtiges repräsentatives Bauwerk viel zu absolut ist und eigentlich im Widerspruch zu sozialer und kultureller Realität im Bewegungsmodus steht. Der Druck auf Ausstellungen, die an diesem Ort stattfinden, wäre von vornherein immens. Wenn man sich gleich den schmuckreichsten Präsentierteller des Stadtzentrums greift und doch eigentlich erst eine Phase der Konsolidierung und Neuausrichtung anstrebt, passt das nicht zusammen. Und soll denn die Oberbürgermeisterin ihre Gäste demnächst in einem Museum empfangen?

Zweckmäßiger wäre das Rückgebäude des Alten Rathauses auf der Rathausgasse in Kombination mit dem nahtlos angeschlossenen Erweiterungsbau von 1954, dessen Ostflügel damals als städtisches Kunstmuseum errichtet wurde und sich als innerstädtische Museumsadresse und kultureller Begegnungsort über vierzig Jahre bestens bewährt hat. Ein solches Konzept würde zugleich dazu beitragen, die Rathausgasse nach jahrzehntelanger Vernachlässigung wieder hervortreten zu lassen, ihre Funktion als Bindeglied zwischen Innenstadt und Rheinufer wieder voll zu sehen, auch im Kontext eines hoffentlich bald entstehenden studentisch-universitären Zentrums im Viktoriakarree, mit neuer Belebung, neuer Strategie und doch nichts anderes wieder aufgreifend, als was in früheren Zeiten kontinuierlich gewachsen war. Was heute von der Geschichte speziell dieses Stadtraums zeugt, ist verwittert, unsichtbar geworden, unkenntlich, aber dass sie stattgefunden hat, darüber besteht kein Zweifel. Gutes Motto übrigens für ein stadthistorisches Museum.