Monats-Aktion: Inklusiv Arbeiten in Bonn – Bürgerschaftliches Engagement macht es möglich
Der 1998 von engagierten Bonner Bürgerinnen und Bürgern gegründete Verein Haus am Müllestumpe – miteinander leben und gestalten e.V. betreibt unter anderem seit 2009 im Bonner Norden das Haus Müllestumpe – Bonns erstes inklusives Hotel und Tagungshaus.
In dem schönen Gebäude und seinem parkähnlichen Gelände arbeiten seitdem neun Menschen mit Behinderung zusammen mit ihren nichtbehinderten Kolleginnen und Kollegen für die Gäste des Hauses. Gemeinsam prägen sie den besonderen Stil unseres Hauses. Nähere Informationen über die Homepage: www.muellestumpe.de
Seit dem Jahr 2016 führen wir in Kooperation mit der Stadt Bonn auch die inklusive Stadteilbibliothek im Auerberg (Link zur offiziellen Homepage: https://www.bonn.de/themen-entdecken/bildung-lernen/integrierte-stadtteilbibliothek-auerberg.php) . In den hellen und barrierefreien Räumen werden nicht nur Lesestoff und aktuelle Medien geboten, sondern auch zum Beispiel Freizeitaktivitäten für Kinder durchgeführt und Lesungen organisiert. Möglich sind die inklusive Stadtteilbibliothek und ihre vielfältigen Angebote nur durch ehrenamtliches Engagement. Inzwischen bringen mehr als 25 Ehrenamtliche ihr Engagement ein, damit die Bibliothek an 5 Tagen in der Woche ihre Türen öffnen kann. Herr Rost ist über eine Tochterfirma des Vereins fest in der Bibliothek angestellt und auch im Hausservice für die Bibliothek sind Menschen mit Behinderung beschäftigt.
Weitere Informationen zum Verein Haus am Müllestumpe e.V. und seinen Projekten erhalten Sie unter: leben-gestalten.net oder über: Ralf.Ramacher@muellestumpe-ev.de
Interview mit Herrn Tobias Rost
Frage 1. Wie sind Sie dazu gekommen, in der Stadtteilbibliothek zu arbeiten?
Also ich hatte Vitamin B. das heißt, ich hatte jemand, der kannte die mlg wohnen* und wusste, dass die zusammen mit der Stadt Bonn die neue Stadtteilbibliothek im Auerberg betreiben wollen. Und darauf habe ich mich, nach ganz vielen Bewerbungen, die ich auch vorher geschrieben hatte, beworben. Bei den Bewerbungen vorher habe ich immer Absagen erhalten. Es waren auch ein paar Vorstellungsgespräche dabei, aber nachher waren es leider immer nur Absagen. Doch diesmal hatte ich das Glück, auch genommen zu werden. Dafür bin ich sehr dankbar. Seit 2016 arbeite ich jetzt für die mlg wohnen in der Stadteilbibliothek.
*Hinweis: mlg bedeutet miteinander leben und gestalten.
2. Frage: Was war Ihr erster Eindruck von der Bibliothek und den Kollegen und Kolleginnen?
Natürlich habe ich mir erst mal ein bisschen Gedanken gemacht, ob das alles so klappt. Aber es klappt einfach nur super - denn die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlern und einfach das ganze Miteinander ist klasse, weil man so es schafft, als Mensch mit Behinderungen zusammen mit anderen zuarbeiten, also inklusiv und das finde ich eine ganz tolle Sache. Wir lernen voneinander, ganz viel und das ist wichtig!
3. Frage: Welche Arbeit machen Sie in der Bibliothek und macht Ihnen die Arbeit Spaß?
Die Arbeit macht mir sehr viel Spaß. Meine Aufgaben sind zum Beispiel Bücher, Spiele oder andere Sachen einzubuchen und den Kunden, ihre Fragen zu beantworten. Mit ihnen zu reden halt, ihnen zu helfen, dass gefällt mir. Und wenn die Kunden Sachen ausleihen, dann kommen sie zu mir an die Theke und dann buche ich diese Sachen aus dem System raus.
4. Frage: wie kommen sie mit den Kollegen und Kolleginnen zurecht?
Also ich komme sehr gut mit meinen Kollegen und Kolleginnen zurecht. Weil das menschlich gut passt. Wir sind natürlich sehr unterschiedlich, zum Beispiel auch vom Alter her, aber das ist kein Problem für mich. Wir sind ja alles verschiedene Menschen und das ist es, was mich reizt und was die anderen auch. Dieses Zusammenspiel klappt einfach sehr gut.
Das ist einfach so, die kannten mich vorher nicht, ich kannte die nicht. Und sie wussten auch nicht über meine Behinderung Bescheid. Klar, hatten die anderen erstmal Berührungsängste, was ja auch vorkommen kann, wenn jemand einen Menschen mit Behinderungen kennenlernt. Meine Behinderung war auch mal Thema. Aber ich habe kein Problem damit, dass die mich nach meiner Behinderung fragen. Weil wenn man fragt, dann bekommt man auch eine nette und höfliche Antwort. Fragen kostet ja nichts.
Doch diese Ängste haben meine Kollegen und ich längst nicht mehr, das ist einfach klasse, ja.
5. Frage: Würden Sie auch anderen Menschen mit Behinderung empfehlen, in der Stadtbibliothek zu arbeiten?
Ja, das würde ich auf jeden Fall tun. In der Bibliothek, also jetzt in unserer Auerberger Bibliothek, die auch für Inklusion steht, kommt es nicht darauf an, dass man eine Sache in einer Minute abgetippt hat oder in einer Minute das Buch dem Kunden rübergereicht hat. Am wichtigsten ist bei uns, genau zu arbeiten.
Also wichtig ist schon, gut sozial drauf zu sein. Das heißt einfach, gerne mit Leuten zu reden, ihre Fragen zu beantworten. Und auch wenn ein Kunde zum Beispiel mal nicht gut drauf ist, wegen irgendetwas, dann müssen sie immer freundlich bleiben, denn der Kunde ist König, auch bei uns.
Bei Menschen, die etwas schüchtern sind, doch das ginge auch. Da müsste man schauen, dass man die nicht gerade vorne an den PC-Arbeitsplatz setzt. Schüchterne Menschen könnten dann halt Bücher weg sortieren, das muss auch gemacht werden.
Aber ich glaube, man kann es einfach auch probieren. Und wenn es nicht passt, dann macht man etwas Anderes. Also „es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“, wie man sagt. Und ich kann auch ganz offen sagen, ich habe erst in der Bibliothek gelernt, dass ich wunderbar offen mit fremden Leuten reden kann. Das Telefonieren mit fremden Leuten zum Beispiel war früher für mich sehr schwer. Und das habe ich nicht mehr.
Vielen Dank Herr Rost
Zur Person: Tobias Rost ist 31 Jahre und wohnt in Bonn-Beuel. Nach einer kaufmännischen Ausbildung in einem Berufsbildungswerk arbeitet Herr Rost seit 2016 über die mlg wohnen gGmbH in der integrierten Stadteilbibliothek Bonn-Auerberg.
Das Interview:
Die Interviewfragen wurden von Manuel Welter gestellt. Er ist 25 Jahre alt. Herr Welter arbeitet im Garten- und Landschaftsbau der Bonner Werkstätten der Lebenshilfe Bonn. Von 2012 bis 2015 war er in der intra bonn als Qualifikant beschäftigt. Das heißt, er wurde für das Arbeitsleben in der Hauswirtschaft trainiert. In seiner Freizeit arbeitet er als Prüfer für Leichte Sprache. Er hat 2012 zum Beispiel an der Übersetzung für den Teilhabeplan „Bonn Inklusiv“ in Leichte Sprache mitgearbeitet. Außerdem moderiert er und tanzt er sehr gern. Er hat im Haus der Jugend Theater gespielt und in der inklusiven Theatergruppe „17.30“. Er sagt „Für mich war es ein besonderer Moment, dass ich mit dem letzten Theaterstück auf der Bühne im GOP Varieté stehen durfte“.